FREIE PRESSE fragt – BfZ antwortet! THEMA: „Preisdeckel für Schulessen gefordert“

Herr Michael Stellner von der FREIEN PRESSE stellte uns folgende Fragen:
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Unterstützt Ihre Fraktion die Forderung nach einem Preisdeckel für Schulessen? Falls ja in welcher Höhe?
Hat Ihre Fraktion andere Lösungsvorschläge, um Eltern bei den Kosten für Schulessen zu entlasten?
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Herr Stellner bezog sich auf folgenden Bericht der Freien Presse vom 03. Januar 2024: Schulkantinen vor dem Aus?
Dieser Bericht befasst sich mit der Mehrwertsteuererhöhung und wie sich diese auf das Schulessen im Landkreis Zwickau auswirkt. „Da weitere Preisaufschläge zu befürchten sind, hat der Zwickauer Kreiselternrat einen Preisdeckel für Schulessen gefordert. Einen solchen gibt es beispielsweise in Potsdam, wo sich der Stadtrat entschieden hat, die Kosten für Eltern auf 3,90 Euro zu deckeln; die Differenz übernimmt die Stadtkasse.“ , so Stellner.
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Hier unsere Antwort:
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Sehr geehrter Herr Stellner,
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ihr Artikel verdeutlicht nur ansatzweise die Dringlichkeit des Themas. Es geht aber in die falsche Richtung, wenn das Thema lediglich auf Ihre drei Fragen zu reduziert wird. Haben Sie dieselben Fragen auch an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gerichtet?
Ungeachtet dessen möchte ich zunächst konkret auf Ihre Fragen antworten, bevor ich einige Erläuterungen zu unserer Position hinzufüge:
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Unterstützt Ihre Fraktion die Forderung nach einem Preisdeckel für Schulessen?
Antwort: JA
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Falls ja, in welcher Höhe?
Antwort: 100%
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Hat Ihre Fraktion andere Lösungsvorschläge, um Eltern bei den Kosten für Schulessen zu entlasten?
Antwort: Ja, kostenfreies Mittagessen für alle Kinder in Deutschland.
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Die Differenz übernimmt die Stadtkasse.
Antwort: Nein
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Da das Problem auf Bundesebene verantwortet wird, kann von der Kommune keine Kompensation erwarten werden.
Selbst wenn eine Deckelung durch die Kommune erwogen wird, birgt dies für die Stadt ein unkalkulierbares Kostenrisiko und öffnet den Anbietern Tür und Tor für willkürliche Preiserhöhungen. Dies wäre kontraproduktiv und verletzt marktwirtschaftliche Grundsätze.
Grundsätzlich ist zu hinterfragen, ob der Steuersatz von 19% überhaupt gerechtfertigt ist.
Wir halten eine dauerhafte Beibehaltung des reduzierten Steuersatzes von 7% für sinnvoll, nicht nur für Schulessen, sondern auch für verschiedene andere Artikel der Grundversorgung. Auf diese Weise bleibt der Wettbewerb gewährleistet, und die Gesellschaft fördert eine gute Versorgung der Kinder.
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Hier eine mal eine einfache Rechnung zur Kompensation der Mehrwertsteuerdifferenz, nicht zur Deckelung!
Basis für die Mehrwertsteuerzahlen ist ein Nettobetrag von 5,00€.
MWSt-Betrag bei 7% MWSt = 0,35€.
MWSt-Betrag bei 19% MWSt = 0,95€.
Differenz = 0,60€ pro Mittagessen pro Schultag.
Anzahl Schultage: 40 Wochen á 5 Schultage = 200 Mittagessen pro Schüler pro Jahr.
0,60€ x 200 = 120,-€ pro Schüler.
Bei 7.170 Schülern in Zwickau würde jährlich mit 860.400,-€ zu rechnen sein.
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Unsere weiterführende Position zum Thema spiegelt sich im Positionspapier des VDSKC wider.
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Mit freundlichen Grüßen,
Tristan Drechsel
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POSITIONSPAPIER
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Wichtige 7 Prozent: Ermäßigte Mehrwertsteuer auf Kita- und Schulessen muss beibehalten werden
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Die gemeinsame Mittagsmahlzeit in Schule oder Kita ist mehr als pure Nahrungsaufnahme. Kinder und Jugendliche trainieren dabei ihren Geschmackssinn, können gesunde Ernährungsgewohnheiten verinnerlichen, üben sich in sozialer Interaktion und lernen gesellschaftliche Konventionen kennen. Um dieses Potential im Sinne einer gesunden, nachhaltigen Ernährung voll auszunutzen, bedarf es staatlicher Steuerungsimpulse. Es ist Aufgabe der Politik, die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um das Essen über den Versorgungsaspekt hinaus zu einem Aneignungs- und Bildungsraum zu machen, in dem die Wertschätzung des Essens gelebt und gelernt werden kann.
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Der VDSKC setzt sich stellvertretend für alle Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Kitakinder für die Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes und damit mehr Bildungsgerechtigkeit ein.
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Kita- und Schulessen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
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Die Gemeinschaftsverpflegung ist der wichtigste ernährungspolitische Gestaltungsort und zentraler Bestandteil kommunaler oder landesweiter Ernährungsstrategien. Bei der Bereitstellung des Essens in Kita und Schule handelt es sich um eine Grundversorgung. Als Gesellschaft sollten wir dieser Versorgung die Wertschätzung zukommen lassen, die ihr zusteht und den ermäßigten Steuersatz anwenden. In Deutschland muss jedes Kind die gleichen Chancen auf eine gesunde Entwicklung und Bildung erhalten. Dazu gehört, dass kein Kind mit leerem Magen lernen muss.
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Ernährungsarmut verhindern 
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Dass das Einkommen der Eltern über den Bildungserfolg eines Kindes entscheidet, ist für eine fortschrittliche Gesellschaft ein untragbarer Zustand. Hier muss von Seiten des Staates korrigierend eingegriffen werden. Es ist elementar, dass auch Kindern aus wirtschaftlich schwachen Familien der Zugang zu einer ausgewogenen Mahlzeit pro Tag ermöglicht wird. Ein erschwinglicher Preis für das Mittagessen ist dabei ein entscheidender Faktor. Eltern sollen sich nicht zu Bittstellern degradiert sehen. Auf dem Weg zum kostenfreien Schul- und Kitaessen kann der ermäßigte Steuersatz als Zwischenlösung richtige Anreize setzen.
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Gesunde und nachhaltige Ernährungsgewohnheiten etablieren
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Grundsätze einer ausgewogenen, gesunden Ernährung können am besten im Kindesalter erlernt und verfestigt werden. Eine hochwertige Gemeinschaftsverpflegung kann ihren Teil dazu beitragen. Wenn Kinder bereits früh lernen, was gesunde Ernährung bedeutet, werden sie auch im Erwachsenenalter weniger Probleme mit Übergewicht und Folgeerscheinungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz- und Kreislauferkrankungen bekommen. Eine gesunde Gemeinschaftsverpflegung bedeutet Krankheitsprävention und aktive Gesundheitsförderung. Auch im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels kann die Mittagsversorgung positive Impulse setzen. Ein Verhalten, das weniger Fleischverzehr und mehr regionale Lebensmittel vorsieht, kann gezielt im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung erlernt werden. Kita- und Schulcaterer können zur Ernährungssouveränität beitragen, indem sie kleinbäuerliche Strukturen mit regionalen Angeboten unterstützen.
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Den Worten Taten folgen lassen
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Anlässlich des Tages der Kitaverpflegung hat Dr. Manuela Rottmann, Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung gesagt: „Unsere Kinder und Jugendlichen sollen sich in Kitas und Schulen wohlfühlen und gesund und nachhaltig ernähren können. Dies gelingt, indem zum Beispiel mehr ökologisch erzeugte Lebensmittel auf den Tisch kommen. Ich appelliere dringend an die Verantwortlichen in Kitas und Schulen, die DGE-Qualitätsstandards umzusetzen. Denn von einer gesunden und nachhaltigen Kita- und Schulverpflegung profitiert jedes Kind, unabhängig vom Bildungsstand und Portemonnaie der Eltern. Hier haben wir die große Chance, die Weichen für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu stellen, der bis ins Erwachsenenalter hinein prägend ist.“ Auch der Ampel-Koalitionsvertrag spricht sich für mehr regionale und ökologische Erzeugnisse in der Verpflegung aus. Die Umsetzung dieser Forderungen ist jedoch nicht zum Nulltarif zu haben – damit die Elternbeiträge für Kita- und Schulverpflegung in einem akzeptablen Rahmen bleiben, muss der Mehrwertsteuersatz für Kita- und Schulverpflegung bei sieben Prozent bleiben oder gänzlich abgeschafft werden.
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Warum werden Studierende steuerlich bevorteilt?
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Studierende zahlen in den Mensen ihrer Universitäten gar keine Mehrwertsteuer auf das Mittagessen. Wie ist so eine Ungleichbehandlung innerhalb der gleichen Branche zu rechtfertigen? Wieso entscheidet die Unternehmensform über den Preis, den die Verbraucher zahlen müssen und nicht der Sinn und Zweck der Aufgabe? Schul- und Kitacaterer bemühen sich genauso um ausgewogene Mahlzeiten wie Studentenwerke. Eine Gleichstellung bei der Besteuerung wäre fair und nachhaltig.
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Steuererhöhung wäre Todesstoß für viele Cateringunternehmen
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In der derzeitigen Situation zusätzlich zwölf Prozent abgeben zu müssen, wäre für viele Unternehmen der Todesstoß – insbesondere nachdem die Corona-Pandemie sämtliche Reserven aufgebraucht hat. Eine Erhöhung des Preises in Richtung der Eltern oder Träger würde ähnlich fatale Auswirkungen haben. Die wichtige Grundversorgung der Kinder wäre gefährdet. Es kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass der Auftrag, Kinder mit einem warmen Essen am Tag zu versorgen, nicht mehr umgesetzt werden kann, weil Caterer ihre Unternehmen schließen müssen oder weil Eltern es sich nicht mehr leisten können und ihre Kinder von den Mahlzeiten abmelden.
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DGE, DEHOGA, UN – Starke Bündnispartner 
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Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sprechen sich ebenfalls für Steuersenkungen zur Verbesserung der Essensqualität aus. Sie argumentieren, dass eine Absenkung der Mehrwertsteuer für Essen in Schulen und Kitas auf sieben Prozent ein wichtiger Schritt wäre, um den Kostendruck für die Anbieter zu reduzieren. Die Vereinten Nationen setzen sich im Rahmen ihres Welternährungsprogramms (World Food Programme, WFP) für Schulspeisungen ein, um Hunger zu bekämpfen. Die vom WFP initiierte Strategie zur Schulverpflegung für die Dekade 2020 bis 2030 zielt auf die Schaffung gesundheitsförderlicher Ernährungsumgebungen in Schulen ab. Für viele Kinder sei die Mahlzeit in der Schule Hauptbestandteil ihrer täglichen Ernährung.
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Europäische Vorbilder: Bessere Gesundheit durch kostenloses Essen
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Andere europäische Länder machen vor, wie kostenfreies Schulessen funktionieren kann und welche Vorteile es bietet. Estland, Finnland, Norwegen oder Schweden etwa stellen sicher, dass an staatlichen Schulen jeder Schüler freien Zugang zu einer warmen Mahlzeit bekommt. Damit werden nicht nur soziale Unterschiede erfolgreich ausgeglichen. Eine schwedische Langzeitstudie hat herausgestellt, dass ein kostenloses, hochwertiges Mittagessen zu besserer Gesundheit, besserer Bildung und schließlich sogar zu einem höheren Lebenseinkommen führt. Langfristig profitiert davon die gesamte Gesellschaft.
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Ziel: Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder in Deutschland
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Der VDSKC spricht sich auf lange Sicht für ein kostenfreies Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen aus. Eine wohlhabende Gesellschaft wie die deutsche kann es sich ohne Probleme leisten, jedem Kind eine vollwertige, warme Mahlzeit pro Tag zur Verfügung zu stellen. Es ist lediglich eine Frage der Prioritäten: Wie wichtig sind uns gesunde Kinder? Wie wichtig, dass Schüler konzentriert lernen können? Wie wichtig, dass Ernährungsbildung auch praktisch umgesetzt wird? Wie wichtig der Ausgleich sozialer Ungerechtigkeiten? Staatliche Einrichtungen sollten Unterschiede im Einkommen der Eltern nicht bei Kindern weiter zementieren.